Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Um ihre Grundwerte – Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit – zu schützen und zu fördern, setzten die Mitgliedstaaten des Europarats einen völkerrechtlichen Vertrag auf: Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

Dann sorgten sie dafür, dass Verletzungen der in diesem Vertrag festgehaltenen Verpflichtungen auch einklagbar sind und schufen zu diesem Zweck ein in seiner Art einmaliges Instrument: Den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Der Gerichtshof wurde im Jahr 1959 gegründet. Er behandelt Beschwerden von Einzelpersonen oder Gruppen von Einzelpersonen gegen den Staat und solche von Mitgliedstaaten gegen andere Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Verletzungen von Menschenrechten.

 
Aufgabe des Gerichtshofs

Entgegen der landläufigen Meinung ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine höchste Gerichtsinstanz auf europäischer Ebene, sondern ein Spezialgericht: Auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beurteilt er, ob ein Staat die Menschenrechte eines Klägers verletzt hat – sei es durch staatliche Machtausübung im Allgemeinen, im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren oder durch ein Gerichtsurteil.

Jeder Mensch in einem Europarat-Mitgliedstaat – auch wenn er aussereuropäischer Nationalität ist – kann sich nach Ausschöpfung der nationalen Rechtsmittel an den Gerichtshof wenden, wenn er der Meinung ist, seine Menschenrechte seien vom Staat verletzt worden. Das Recht, zu klagen, ist dabei gänzlich unabhängig davon, ob eine Klägerin oder ein Kläger ein unbescholtener Bürger oder ein rechtmässig verurteilter Straftäter ist, denn die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgelegten Rechte und Freiheiten stehen allen Menschen gleichermassen zu.

 
Richterinnen und Richter

Jeder der 46 Mitgliedstaaten des Europarats stellt eine Richterin oder einen Richter am Gerichtshof. Jeder dieser Richter wird von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats aus einer Liste mit drei Kandidaten für eine einmalige Amtsdauer von neun Jahren gewählt. Die Richter vertreten nicht die Interessen ihres jeweiligen Herkunftslands, sondern diejenigen des Gerichtshofs.

Der Gerichtshof tagt in einer Kleinen Kammer mit jeweils 7 Richtern und in einer Grossen Kammer mit 17 Richtern.

 
Urteile des Gerichtshofs

Stellt der Gerichtshof eine Verletzung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgelegten Menschenrechte fest, ist der betroffene Staat verpflichtet

  • den Kläger gemäss den Weisungen des Gerichtshofs zu entschädigen
  • die Folgen der Verletzung zu beseitigen
  • dafür zu sorgen, dass sich derartige Verletzungen in Zukunft nicht wiederholen
  • das Urteil amtlich zu publizieren

Die Urteile des Gerichtshofs werden veröffentlicht. Sie sind endgültig und für den betroffenen Staat verbindlich.

 
Umsetzung der Urteile

Das Ministerkomitee des Europarats überwacht die Umsetzung der Gerichtsurteile: Gemeinsam mit dem betroffenen Staat sucht es geeignete Wege, um den Forderungen des Gerichtshofs nachzukommen. Dabei kann die Verpflichtung, die Folgen einer Verletzung der Menschenrechte zu beseitigen sowie deren Wiederholung zu verhindern zu einer Anpassung der nationalen Gesetzgebung im betroffenen Staat führen.

 
Vorläufige Massnahmen

Manchmal sind Sofortmassnahmen nötig, um Menschen vor ernsthaftem und nicht wieder gut zu machendem Schaden zu bewahren. Aus diesem Grund hat jeder Mensch in jedem Mitgliedstaat des Europarats das Recht, beim EGMR einen Antrag auf die Anordnung einer vorläufigen Massnahme (interim measure) zu stellen. In den meisten Fällen geht es um eine vorläufige Aussetzung einer bevorstehenden Abschiebung oder Rückschaffung, weil die betroffenen Menschen aus bestimmten Gründen befürchten, dass ihnen im Bestimmungsland Tod, Gefängnis oder Folter droht.

In einem Eilverfahren untersucht der Gerichtshof unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen sorgfältig jeden Antrag. Eine vorläufige Massnahme ordnet der Gerichtshof nur dann an, wenn er zum Schluss kommt, dass ein Antragssteller ohne diese Massnahme einem untragbaren Risiko ausgesetzt wäre, und der Faktor Zeit von Bedeutung ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Mensch in ein Land ausgeschafft werden soll, in welchem sein Leben bedroht wäre. Im Jahr 2023 ordnete der Gerichtshof in 1’419 von 2’634 Fällen (54%) eine vorläufige Massnahme an.
 
Wirkung

Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte führen zu Verbesserungen im Leben der Menschen in den Mitgliedsstaaten des Europarats. Hier sind einige Beispiele dafür: Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

 
Kurzüberblick

Es gibt eine Fülle von Information zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Hier ein kurzer Überblick über die gängigsten Tatsachen & Meinungen.

 
Der Gerichtshof in 50 Fragen erklärt (PDF):
http://www.echr.coe.int/Documents/50Questions_DEU.pdf

 

Offizieller Kurzfilm über den Gerichtshof (Englisch):


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Fotos © Europe’s Human Rights Watchdog; © Logo, Gerichtssaal und Film: CoE