Berner Konvention

Wildlebende Pflanzen und Tiere haben ästhetischen, wissenschaftlichen, kulturellen, erholungsbezogenen, wirtschaftlichen und ideellen Wert. Sie werden als Naturerbe betrachtet, welches erhalten und an künftige Generationen weitergegeben werden muss.
 

Um dies zu gewährleisten, schufen die Europarat-Mitgliedstaaten das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (SEV Nr. 104).

Das Übereinkommen wurde in schweizerischen Bern zur Unterzeichnung aufgelegt und ist daher allgemein bekannt als Berner Konvention.

 

 
Berner Konvention

Die Berner Konvention trat 1982 in Kraft. Sie wurde von fast allen Europarat-Mitgliedstaaten sowie einer Reihe von Nicht-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (EU) ratifiziert. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, wildlebende Pflanzen und Tiere sowie ihre natürlichen Lebensräume zu erhalten, indem sie:

  • in ihrer nationalen Politik die Erhaltung wildlebender Pflanzen und Tiere sowie ihrer natürlichen Lebensräume fördern, insbesondere die gefährdeten und empfindlichen Arten
  • bei ihrer Planungs- und Entwicklungspolitik sowie bei ihren Massnahmen gegen die Umweltverschmutzung die Erhaltung wildlebender Pflanzen und Tiere berücksichtigen
  • die Erziehung und die Verbreitung allgemeiner Informationen in Bezug auf die Notwendigkeit, wildlebende Pflanzen und Tierarten sowie ihre Lebensräume zu erhalten, fördern

 

Artenschutz

Die Berner Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zum gezielten Artenschutz. Zu diesem Zweck enthält die Konvention Anhänge mit immer wieder aktualisierten Listen der geschützten Pflanzen- und Tierarten. Die Konvention gibt zudem klare Anweisungen zum Umgang mit geschützten Pflanzen- und Tierarten. Hier sind einige Beispiele:
 
Pflanzen
Geschützte Pflanzen dürfen weder absichtlich gepflückt, noch gesammelt, abgeschnitten, ausgegraben oder ausgerissen werden. Auch der Besitz oder der Verkauf solcher Pflanzen ist verboten.

 
Tiere
Geschützte Tiere dürfen weder absichtlich beunruhigt noch gefangen, gehalten oder getötet werden. Ihre Brut- oder Raststätten dürfen nicht mutwillig beschädigt oder zerstört und ihre Eier nicht aus den Nestern genommen werden. Zudem ist der Besitz solcher Eier sowie der Handel mit lebenden oder toten Tieren sowie Teilen solcher Tiere und ihr Besitz verboten. Eine allfällige Nutzung geschützter wildlebender Tiere darf die Populationen in ihrem Bestand nicht gefährden. Ist der Bestand gefährdet, müssen Schonzeiten oder Nutzungsverbote eingeführt werden.

Ausserdem sollen alle Mittel verboten werden, die ein wahlloses Fangen oder Töten von geschützten Tierarten ermöglichen wie z.B. Schlingen, Netze, Fallen, Giftköder oder Sprengstoffe.

Die Unterzeichnerstaaten sind verpflichtet, ihre auf nationaler Ebene getroffenen Massnahmen zum Artenschutz so zu gestalten, dass sie auch wandernde Tierarten erfassen, deren Verbreitungsgebiet in ihr Hoheitsgebiet hineinreicht.

 

Ausnahmen

Die Unterzeichnerstaaten können Ausnahmen bezüglich des Schutzes von wildlebenden Pflanzen und Tieren zulassen, wenn diese Massnahmen

  • zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt oder zwecks Verhütung ernster Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Gewässern usw. erfolgen
  • zur Erhaltung der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit beitragen
  • der Forschung und Erziehung, der Bestandsauffrischung, der Wiederansiedlung oder der Aufzucht einer Art dienen

Allerdings müssen die Unterzeichnerstaaten, welche Ausnahmen zulassen, dem Europarat regelmässig ausführlich Bericht erstatten über deren Folgen.

 

Internationale Zusammenarbeit

Die Unterzeichnerstaaten der Berner Konvention verpflichten sich, zusammenzuarbeiten und den Zwecken dieser Konvention dienende Forschungsarbeiten zu fördern und zu koordinieren. So soll auf Grundlage der Erkenntnisse anderer Mitgliedstaaten die Wiederansiedlung einheimischer wildlebender Pflanzen- und Tierarten gefördert werden, wenn dadurch ein Beitrag zur Erhaltung einer gefährdeten Art geleistet werden kann. Die Ansiedlung nicht heimischer Arten hingegen soll auf derselben Basis streng überwacht und begrenzt werden.

 

Ständiger Ausschuss

Der Ständige Ausschuss ist das Leitungsgremium der Berner Konvention. Der Ausschuss wird gebildet von den Delegierten der Unterzeichnerstaaten. Beobachter aus denjenigen Mitgliedstaaten des Europarats, welche die Konvention nicht unterzeichnet haben sowie Vertreterinnen und Vertreter von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können ohne Stimmrecht an den Sitzungen teilnehmen. Geleitet wird der Ständige Ausschuss von einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter sowie zwei Bureau-Mitgliedern, welche alle für eine Amtszeit von einem Jahr gewählt werden und maximal vier Amtsperioden absolvieren können.

Der Ständige Ausschuss versammelt sich einmal pro Jahr zu einer Vollversammlung in Strassburg. Während der Zeit zwischen diesen Sitzungen ist das Bureau verantwortlich für alle administrativen und organisatorischen Entscheidungen. Es wird gebildet vom amtierenden Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses und dessen Vorgängerin oder Vorgänger, dem Vizevorsitzenden sowie zwei Bureau-Mitgliedern. In allen administrativen und organisatorischen Belangen wird das Bureau von einem Sekretariat unterstützt.

 

Monitoring

Die Einhaltung der in der Berner Konvention festgelegten Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten wird regelmässig überprüft. Dieses Monitoring unter der Leitung des Ständigen Ausschusses geschieht mit Hilfe von verschiedenen Instrumenten. Die wichtigsten darunter sind die Berichterstattung, das Fallerfassungs-System sowie die Überprüfung durch Expertengruppen.

 

Berichterstattung

  • Mitgliedstaaten der Konvention, die beim Schutz wildlebender Tiere Ausnahmen zulassen, müssen dem Ständigen Ausschuss alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen. Dieser Zweijahresbericht muss eine wissenschaftliche Einschätzung der Folgen dieser Ausnahmeregelungen auf den Schutz der betroffenen Arten und Lebensräume enthalten
  • die Mitgliedstaaten der Konvention sind aufgefordert, freiwillig alle vier Jahre einen Bericht über die Umsetzung der in der Konvention festgehaltenen Forderungen auf nationaler Ebene einzureichen
  • dem Ständigen Ausschuss ist es gestattet, aufgrund der von unabhängigen Experten verfassten Berichte zu nationalen Gesetzen und politischen Richtlinien die Umsetzung der Konvention in den Mitgliedstaaten zu überprüfen

 

Fallerfassungs-System

Mit Hilfe des Fallerfassungs-Systems können Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie Privatpersonen allfällige Verletzungen der Berner Konvention beim Europarat melden. Zu diesem Zweck steht auf der Webseite der Organisation, die der Berner Konvention gewidmet ist, ein leicht zugängliches Online-Formular zur Verfügung. Sollte der Ständige Ausschuss zum Schluss kommen, dass weitere Informationen benötigt werden, kann er einen Besuch vor Ort durch unabhängige Experten organisieren, die ihm danach Bericht erstatten.

 

Expertengruppen

Bei den Mitgliedern der Expertengruppen handelt es sich um Fachleute aus den Mitgliedstaaten der Konvention, welche unterschiedliche Forschungsgebiete bearbeiten wie z.B. Reptilien, Pflanzen, grosse Fleischfresser, invasive gebietsfremde Arten, Klimawandel oder biologische Vielfalt. Nichtregierungsorganisationen, die über relevante Spezialkenntnisse verfügen, sind ebenfalls eingeladen, sich einzubringen. Aufgabe der Expertengruppen ist es, die Umsetzung der Berner Konvention in den Mitgliedstaaten zu überprüfen und Empfehlungen zur weiteren Verbesserung zu verfassen.

 

Smaragd-Netzwerk

Das Smaragd-Netzwerk (Emerald Network) umfasst ökologisch besonders schützenswerte Gebiete in ganz Europa. Es hat zum Ziel, diejenigen unter den durch die Berner Konvention geschützten Arten und Lebensräumen langfristig zu erhalten, die besonders bedroht sind. Wird ein von einem Staat vorgeschlagenes Gebiet ins Smaragd-Netzwerk aufgenommen, muss es vom betroffenen Staat nicht nur als Schutzgebiet ausgewiesen und verwaltet werden, sondern sich auch regelmässigen Kontrollen unterziehen.

 

Europäisches Diplom für geschützte Gebiete

Das Europäische Diplom für geschützte Gebiete ist eine internationale Auszeichnung, die seit 1965 vom Ministerkomitee des Europarats verliehen wird. Das Diplom zeichnet Naturgebiete oder naturnahe Gebiete aus, die wichtig für den Erhalt der Artenvielfalt sind und die besonders vorbildhaft verwaltet werden. Aufgrund dieser Vorgaben steht das Diplom in einem direkten Zusammenhang mit der Berner Konvention.

Das Diplom wird für eine Zeitspanne von fünf Jahren verliehen. Danach kann es für jeweils 10 Jahre verlängert werden. Die für die Verwaltung eines prämierten Gebiets zuständige Behörde ist verpflichtet, einen Jahresbericht zuhanden des Europarats zu verfassen. Sollte das Schutzgebiet bedroht sein oder sich besorgniserregend verändern, kann der Europarat eine ausserordentliche Begutachtung anordnen.

 

Kurzfilm des Europarats zur Berner Konvention (Englisch)

 

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Fotos © Heini Heitz