Schweizer Gerichtsfall

Botschafter Paul Seger im Gerichtssaal der Grossen KammerMit dem Fall Stoll vs. Switzerland zog die Schweiz zum ersten Mal seit ihrem Beitritt zum Europarat einen Gerichtsfall an die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) weiter.

Der Journalist Martin Stoll hatte seinerzeit Auszüge aus dem vertraulichen diplomatischen Bericht von Botschafter Jagmetti in den USA über die nachrichtenlosen Vermögen publiziert und damit den Rücktritt des Botschafters provoziert.

Herr Stoll war von den Schweizer Gerichten zu einer Busse von Fr. 800.– verurteilt worden, der EGMR aber hatte erstinstanzlich eine Verletzung von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) – Freiheit der Meinungsäusserung – festgestellt und die Schweiz verurteilt.

Anfang 2007 wurde der Fall vor 17 Richtern verhandelt. Der Kläger wurde von der Zürcher Professorin für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht, Helen Keller vertreten, die Schweiz von Frank Schürmann, dem Anwalt (Agent) der Schweiz am Europarat.

Das Urteil

Am 10. Dezember 2007 publizierte die Grosse Kammer ihr Urteil: Die Richter waren mit 12 zu 5 Stimmen zum Schluss gekommen, dass im Fall Stoll keine Verletzung von Artikel 10 der EMRK vorliege und die Busse von Fr. 800.- nicht unverhältnismässig gewesen sei. Der Journalist habe gewusst, dass er sich mit der Publikation von vertraulichem Material strafbar mache. Er habe die Öffentlichkeit mit seinen (stellenweise ungenauen) Artikeln weniger informieren als schockieren wollen, und diese seien dazu geeignet gewesen, die Schweizer Interessen in den Verhandlungen um die nachrichtenlosen Vermögen zu schädigen.

_
Foto © Stéfanie Trautweiler (Botschafter Paul Seger im Gerichtssaal der Grossen Kammer)